Donnerstag, 11. September 2014

Das Ullstein Druckhaus von Eugen Schmohl – eine kunsthistorische Analyse der TU Berlin

In Berlin-Tempelhof am Mariendorfer Damm hebt sich ein monumentaler Bau aus der Stadtsilhouette klar heraus. Es handelt sich um das zwischen 1924–1927 erbaute Druckhaus für den Ullstein Verlag. Entworfen hatte es Eugen Georg Schmohl. In Zusammenarbeit mit dem Ingenieur Otto Zucker konzipierte er ein unverwechselbares Einzelbauwerk, dessen Wirkung als Wahrzeichen noch heute besteht.
Das Werk von Eugen Georg Schmohl (1880–1926) stand bislang in keiner wissenschaftlichen Publikation im Mittelpunkt. Informationen zu seinem Leben oder seine Arbeitsweise lassen sich kaum finden, da das Archivmaterial 1945 durch Brand zerstört wurde. Nun wurde das Bauwerk im Rahmen einer Bachelorarbeit am TU-Institut für Kunstgeschichte und Historische Urbanistik bei Prof. Dr. Kerstin Wittmann-Englert einer kunsthistorischen Analyse unterzogen. „Ziel dieser Analyse war es, dieses Bauwerk in den vorhandenen Stil des Expressionismus einzuordnen“, sagt Ulrike Kohl, Autorin der Bachelorarbeit: „Das Ullstein Druckhaus: ein Repräsentationsbau der 20er Jahre“.
1877 legte Leopold Ullstein den Grundstein für den Ullstein-Verlag. Er kaufte die Druckerei Stahl & Assmann mit der dazugehörigen Zeitung Neues Berliner Tageblatt. Bis 1933 entwickelte sich der Verlag zu einem der größten und bedeutendsten in Europa. Mit dem damit verbundenen wirtschaftlichen Aufschwung stellte sich die Frage nach einem neuen Standort in Berlin. Die Verarbeitung der steigenden Auflagen und der Wunsch nach den neuesten Rotationsmaschinen forderte sehr viel mehr Platz als im Stammhaus im Berliner Zeitungsviertel in Kreuzberg zur Verfügung stand“, so Ulrike Kohl.

Den Zuschlag für den Bau der neuen Produktionsstätte in Tempelhof erhielt der Architekt Eugen Georg Schmohl 1924. In Anwendung modernster Ingenieurstechnik entstand ein architektonisch und konstruktiv qualitätsvoller Bau. Er markiert Schmohls eigenständige Auseinandersetzung mit dem Thema eines Industriebauwerkes, das über die reine Funktion zu diesem Wahrzeichen werden sollte. Das Ullstein Druckhaus und der zuvor erbaute Borsig-Turm standen am Beginn einer neuen Entwicklungsphase.
Bei Schmohl zeichnet sich in Annäherung an das Neue Bauen eine Entwicklung hin zur kühlen, minimalen Expressivität ab. Es werden räumliche wie zeitliche Assoziationen hervorgerufen, ohne dabei ein direktes Zitat darzustellen. In seiner Idee folgte Schmohl der Berliner Bautradition und formte stilisierte Reminiszenzen. Die signifikante Kontur und eine ausdrucksstarke Komposition gaben dem Gesamtkomplex eine repräsentative Form. Im Inneren wurden, dem amerikanischen Vorbild entsprechend, die stützenfreien Produktionshallen sachlich und funktional organisiert. Mit seiner modernen Grundhaltung schuf Schmohl eine ästhetisch-innovative neue Spielart des Expressionismus der 1920er Jahre.
Innerhalb der Entwicklungsphase des Expressionismus zwischen 1914 bis 1933 bildeten sich avantgardistische wie traditionalistische Strömungen gleichzeitig heraus. Die Grenzen überlappen sich dabei. In der Forschungsliteratur differenziert man nach Vor- und Nachkriegszeit und unterscheidet verschiedene Haltungen.
Nach Magdalena Bushart, Professorin am Institut für Kunstwissenschaft und Historische Urbanistik der TU Berlin, kam es 1912–1924 zu einer Gotik-Begeisterung bei Künstlern und Theoretikern. Sie führt den Begriff des expressionistischen Historismus ein. In der Frühphase griffen Architekten Bauformen der Vergangenheit auf, wobei dazu die ideologische Einstellung in der Vorstellungswelt der Gotik gefunden wurde. Später hatte das geistige Prinzip der Gotik ausgedient, nicht aber, wie Bushart schreibt, als dekoratives Element.
Tatsächlich finden sich beim Druckhaus, abgesehen vom Eingang der Arbeiter, nur abstrahierte gotische Elemente. Ein einfaches Gesimsband und ein schmuckloser horizontaler Abschluss akzentuieren die schlicht gehaltene Klinkerfassade. Die Eingangshalle beeindruckt zwar durch ihre sakrale Wirkung. Von einer mystischen Assoziation, dem geistigen Prinzip, kann hier aber nicht gesprochen werden. Hier wurde nicht verweilt, sondern tausende von Arbeitern strömten in den unteren Bereich zu den Umkleideräumen.
Der vom Architekturhistoriker Wolfgang Pehnt eingeführte Begriff der metaphysischen Strömung kann bei Schmohl ebenfalls nicht herangezogen werden. Das Ullstein Druckhaus ist nicht auf eine dreidimensionale Wirkung hin konzipiert, sondern eindeutig auf eine Schauseite. Es handelt sich bei diesem Gebäude nicht um ein von innen heraus geformtes Volumen, bei dessen Gestaltung die Zweckfreiheit im Vordergrund stand. Zwar suggeriert die monumentale Komposition in Verbindung mit dem einheitlichen Material des Ullerdorfer Klinkers ineinandergeschobene kubische Baumassen. Der Grundriss zeigt deutlich, dass es sich hier um klar abgegrenzte Funktionsbereiche handelte.
Schmohl modellierte den Baukörper auf subtile Weise: Abstrahiert gotische Elemente akzentuieren die schlicht gestaltete Klinkerfassade. Die rhythmische Gliederung der abgestuften Pfeiler führt zu einer sachlichen und strengen Wahrnehmung der Architektur. Erst beim Umrunden des Gebäudes lässt sich beobachten, dass sich diese strenge Form hin zu einer plastischen Raumskulptur verändert. Je nach Standort und Tageszeit kommt es zu einem anderen Seherlebnis.
Mit dem Konzept der monumentalen Silhouette als unverwechselbare Erscheinung schuf Schmohl ein markantes Zeichen. Hier verschmelzen ästhetische Gestaltung und rationale Tendenzen seiner Zeit zu einer eigenständigen Einheit aus Modernität, Funktionalität und Repräsentationsarchitektur.

Biografisches zu Eugen Georg Schmohl

Schmohl arbeitete ab 1901 als Mitarbeiter erst im Büro Hart & Lesser und dann bei Alfred Messel in Berlin, bis er sich 1910 mit Alfred Salinger selbstständig machte. Bis zu seinem frühen Tod 1926 übernahm er verschiedenste Bauaufgaben, die von Verwaltungsgebäuden bis zu herrschaftlichen Privathäusern, von Denkmalen bis zum Industriebau und von Geschäftshäusern bis zum sozialen Wohnungsbau reichten. Nebenbei unterrichtete er zwei Jahre, von 1924–1926, an der Vereinigten Staatsschule für freie und angewandte Kunst in Charlottenburg. Noch im Januar 1926 wurde er zum Mitglied der Preußischen Akademie der Künste gewählt. Im Alter von 46 Jahren verstarb er im Juli 1926 im Sanatorium Bühlerhöhe bei Baden-Baden.

Quelle: TU Berlin

Weitere Informationen erteilen gern:

Ulrike KohlMasterstudentin am Fachgebiet Kunstgeschichte
Telefon: 0172-3260804

Prof. Dr. Kerstin Wittmann-EnglertFachgebiet Kunstgeschichte
Straße des 17. Juni 150–152
10623 Berlin
Tel.: 030/314-21297
Fax: 030/314-23844

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